::::: ::::: ::::: ::::: ::::: ::::: ::::: :::::
 
Daniela Kloock im Gespräch Joey Steffens und Aline Reinsbach
Filmschule filmArche, Berlin

Die filmArche ist die einzige europäische Filmschule, die auf Selbstverwaltung und -organisation beruht.
Ohne staatliche Förderung besteht sie seit 2003 als gemeinnütziger Verein.
Derzeit studieren dort in einem dreijährigen Ausbildungsgang circa 200 Kreative aus aller Welt.

Wer hat die filmArche gegründet, und wo genau liegen die Unterschiede zu den staatlichen Filmschulen?

Joey Steffens: Der Gründer war Simon Brückner, der zusammen mit anderen erlebt hatte wie verdammt schwierig es ist an eine staatliche Filmhochschule zu kommen - nicht nur in Deutschland, sondern überall. Vieles ist dort ja genau vorgeschrieben, es gibt zum Beispiel im Unterschied zu uns Altersbegrenzungen bei den Bewerbungen. Dann wird auch häufig ein bestimmter Filmstil gelehrt, alles ist eben sehr verschult.
Die Idee der filmArche war also mehr Flexibilität in alles zu bringen. Wir wollen wirklich alles selber in die Hand nehmen: wie wir lernen, was wir lernen, und wann wir lernen! Alles bestimmen wir selbst. Vor allem aber wollen wir auch voneinander lernen. Also das sind die wichtigsten Ideen, die bis heute bestehen.

Gab es irgendwo ein Modell in der Welt an dem sich die filmArche orientiert hat?

Aline Reinsbach: Jahrelang wurde gesagt wir sind die erste und einzige selbstorganisierte Filmschule Europas. Das stimmt nicht ganz. Die erste war die „Super 16“ in Kopenhagen. Aber die sind mittlerweile staatlich gefördert und haben eine ganz andere Struktur. Wir sind auf jeden Fall die größte Filmschule, die sich selbst finanziert, wir sind unabhängig bis zum heutigen Tag.

Seit Ihrem Bestehen hat die filmArche eine Vereinsstruktur mit derzeit insgesamt ungefähr 700 Mitgliedern, die einen monatlichen Beitrag zwischen 70 und 25 Euro bezahlen. Ist das das Budjet mit dem die Schule ihre gesamten Unkosten abdeckt?

Aline Reinsbach: Was die Technik anbetrifft bekommen wir auch ab und zu ausgediente Geräte. Wir arbeiten also echt nachhaltig (lacht). Das ist bei uns schon auch Umgang mit einer Mangelwirtschaft. Aber es ist eben auch ein super Lerneffekt, ob man mit solchen Situationen überhaupt umgehen kann. Die Filme selbst müssen die Studierenden übrigens mit eigenen Mitteln finanzieren. Auch hier müssen sie lernen aktiv zu werden. Manche bekommen ein bißchen Filmförderung, seit ein paar Jahren läuft auch einiges über Crowdfunding, wie jetzt bei „Deckname Jenny“. Das wird ein Politthriller, aber da läuft dann auch viel über unbezahlte Arbeit und Freundschaftsdienste.

Wenn jetzt zum Beispiel Sony käme und würde ein paar Millionen geben, was würdet Ihr machen?

Joey Steffens: Tatsächlich hatten wir gerade so eine Diskussion. Wir haben gerade vom BKM etwas Förderung bekommen für Sachmittel. Das war Anlass für uns festzulegen, was okay ist und was nicht und wie wir uns politisch verstehen. Wir haben ja regelmäßige Mitgliederversammlungen, auch einen Ältestenrat, der bei wichtigen Entscheidungen mit einbezogen wird, einen Vorstand, eine Studienleitung usw., also wir haben hier schon Strukturen.

Wissen die Bewerber eigentlich auf was sie sich einlassen, wenn sie hier anfangen?

Joey Steffens: Bei den Bewerbungsgesprächen werden die Leute in die Mangel genommen, ob sie sich vorstellen können, was die Nachteile von Selbstorganisation sind. Denn für die Struktur der Schule ist es essentiell, ob man zumindest ansatzweise weiß, was für Probleme auftauchen können.

Das heißt viele sind auch überfordert oder enttäuscht?

Aline Reinsbach: Es gibt eben doch einige, die kommen mit Elan und Freude, und sind nach drei Monaten total gefrustet, weil man bei uns eben mit allen Aspekten des menschlichen Seins konfrontiert ist. Also mit Überarbeitung - denn sehr viele müssen ja normalen Jobs nachgehen - aber eben auch mit Faulheit, dann natürlich mit Antipathie, mit mangelnder Geduld, mit der Fähigkeit Prioritäten zu setzen usw., usw. - all das ist sehr schwierig und wirklich anstrengend

Der Unterricht, der einmal in der Woche stattfindet, wird auch selbst gestaltet?

Aline Reinsbach: Ja, bereits in den Bewerbungsunterlagen wird gefordert, dass man sich eine Unterrichtseinheit ausdenkt. Aber wir laden auch externe Dozenten ein. Darunter durchaus Namen wie beispielsweise Andreas Dresen oder Harun Farocki, der 2012 mit circa 30 unserer Studierenden ein Projekt zum Thema „Eine Einstellung zur Arbeit“ realisierte.

Wie viele Bewerbungen gibt es pro Jahr, wie groß sind die Klassen und wie hoch ist die Abbrecherquote?

Aline Reinsbach: Vor ein paar Jahren waren es ungefähr 400 Bewerbungen, jetzt sind es weniger geworden. Die einzelnen Klassen umfassen mindestens acht und höchstens sechzehn Leute. Nach dem ersten Jahr haben wir die meisten Austritte, die Mitglieder kündigen dann ihre Mitgliedschaft im Verein. Das sind dann schon 20 Prozent und mehr, aber das ist sehr jahrgangsabhängig. Von der Altersstruktur sind wir übrigens sehr offen, Mindestalter ist bei uns 21. Wir haben auch Studierende, die sind über 50 Jahre alt. Auch dies unterscheidet uns total von den staatlichen Schulen.

Was passiert, wenn es mal richtig kracht in einer Gruppe?

Aline Reinsbach: Dann schalten sich entweder die Paten ein, also Abgänger, ältere Jahrgänge, oder aber die Studienleitung schaltet sich ein oder der Vorstand, das hängt vom Konflikt ab. Das Prinzip der Paten gibt es übrigens seit 2007. Sie begleiten eine Klasse am Anfang erstmal über sechs oder acht Wochen. Manchmal ist das jedoch gar nicht gewünscht. Ziel ist aber immer, dass die ganze Klasse ungefähr ein Wissensniveau erreicht.

Gibt es, wenn man sich jetzt die Abschlußfilme anschaut, qualitative Unterschiede zu den staatlichen Filmschulen?

Joey Steffens: Nein, von der Qualität der Filme her müssen wir uns nicht verstecken. Die staatlichen Schulen kochen auch nur mit Wasser. Ich glaube der Unterschied besteht eher im theoretischen Wissen, ist ja auch klar, ob du nur einen Tag in der Woche Unterricht hast oder viel mehr. Du mußt dir einfach viel mehr selber anlesen.

Es werden also hier nicht unbedingt ungewöhnlichere Abschlußarbeiten nach den drei Jahren zu sehen sein? Es würde folglich niemand sagen „ geh mal in die filmArche, die machen da so innovative, verrückte Sachen“?

Aline Reinsbach: Wir haben keinerlei Vorlagen, keine bestimmte Art von Filmen, die uns jetzt auszeichnen.
Es ist auch nicht so, dass jetzt alle Filme von uns anarchisch oder politisch sind, obwohl wir uns schon als politisch links orientierte Schule verstehen. Es gibt durchaus auch Filme, die eher klassisch sind, aber so „boy meets girl“ Sachen, so was eher nicht... Wir haben einfach sehr viel interessante Themen, aus dem simplen Grund, dass wir sehr viel verschiedene Studierende haben. Also ich möchte zum Beispiel die staatliche Filmschule sehen, wo mal ein queerer Porno gedreht wurde.