::::: ::::: ::::: ::::: ::::: ::::: ::::: :::::
 

Daniela Kloock im Gespräch mit Detlef Gumm
und Hans-Georg Ullrich "Berlin - Ecke Bundesplatz"

Kommen wir jetzt zu den eher technischen Aspekten Ihrer Arbeit. Bis 2003 haben Sie auf Film gedreht?

Ullrich: Das ist auch ein hochinteressantes Thema! Wenn wir uns nämlich damals, vor 26 Jahren sofort auf elektronische  Aufzeichnungen eingelassen hätten, dann wären wir mit sieben verschiedenen Systemen konfrontiert gewesen. Wir hätten uns ständig technisch an das jeweils aktuelle System anpassen müssen. Das hätten wir von der Qualität und Haltbarkeit her gar nicht geschafft. Gott-sei-Dank sind, oder besser waren, wir beide Zelluloid-Verrückte. Wir haben also versucht möglichst lange bei dem 16-mm Material zu bleiben.

Gumm: Irgendwann war es dann finanziell nicht mehr möglich. Wir waren genötigt auf digital umzusteigen.

Wieviel teurer wurde das, was heißt das konkret?

Ein Meter Negativmaterial zu entwickeln und zu kopieren kostete damals ungefähr 5 Euro. Und für 55 Minuten brauchte man circa 120 Meter. Wir hatten damals ein Drehverhältnis von 1 : 7 oder 1: 6. Da wurde schon sehr genau überlegt was man dreht. Man konnte nicht beliebig lange draufhalten, so wie das heute geschieht. Die jungen Leute drehen derzeit 1: 30 und denken dabei gar nicht daran, dass sie anschließend alles am Computer bearbeiten müssen. Sie machen sich auch viel weniger Gedanken über die Komposition eines Bildes...

Aber Licht und Ton bringen bei der digitalen Technik  schon enorme Vorteile, oder?

Ja unbedingt. Wir mussten früher relativ viel Licht mitnehmen in die Wohnungen und es aufbauen, und das störte schon die Intimität des Drehvorgangs... Aber die Leute haben sich daran gewöhnt. Wir haben ja auch nicht gleich gedreht... Jetzt kann man schon mit relativ wenig Licht drehen, das ist toll!

Gumm: Ja und dann die Ansteckmikros, da haben wir jetzt wirklich einen total sauberen Ton! Und wir sind auch euphorisch in bezug auf die Vorteile der Licht- und Farbbestimmung.

Ullrich: Ein anderer Punkt ist natürlich auch, dass die Kameras viel leichter geworden sind. Man kann damit im Dokumentarischen viel einfacher eine intime Situation herstellen.

Sie mussten das ganze 16mm-Material dann digitalisieren, wie lief das?

Gumm: Wir haben die letzen sechs Jahre mit der sogenannten DVCAM gedreht und das ganze Material, also alles aus den 26 Jahren, technisch angeglichen. Wenn Sie genau hingucken sieht man das schon...

Ullrich: Aber wenn wir von Anfang an elektronisch gedreht hätten, säßen wir jetzt nicht hier, weil das ganz Material nicht mehr zu transformieren gewesen wäre.

Gumm: Oder in ganz, ganz schlechter Form. Damals merkte man ja sofort: das ist eine elektronische Kamera, die da die Bilder geliefert hat. Das ist ja jetzt schon längst nicht mehr so. - Aber es ist schon verrückt, Arriflex z.B. baut keine Kameras mehr, Filmmaterial wird auch immer schwieriger in der Beschaffung, und es gibt außerdem kaum noch Leute, die die Entwicklungsmaschinen überhaupt noch bedienen können.

Gut, das war jetzt das große Loblied aufs Digitale. Aber was  die Haltbarkeit bzw. die Beständigkeit des Materials anbetrifft, da sieht die Sache doch entschieden anders aus.

Gumm: Hollywood macht jetzt auf Technicolor. Das war ja eigentlich ein Schwarz-Weiß System. Ein Drucksystem. Da werden drei Schichten übereinandergelegt und dann kopiert. Berühmtes Beispiel „Vom Winde verweht", und genau dieses Technicolor System, verstanden jetzt als Archivsystem, boomt! Es werden Farbauszüge gemacht und die halten dann angeblich 120 Jahre - bei bestimmten äußeren Bedingungen.

Am Ende also misstraut man dem Digitalen!

Gumm: Das sind brisante Fragen, die mich auch zunehmend beschäftigen. Die Keilschrift wird man noch in 3 oder 5000 Jahren lesen können , aber was wird mit unserem ganzen kulturellen Gedächtnis? Wie bleibt Erinnerung zugänglich?

Vielen Dank für das Gespräch!